Fa. Getrag - Finanzprobleme?

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mitsublue
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Fa. Getrag - Finanzprobleme?

Beitrag von mitsublue »

Aus Automobilwoche online vom 14.11.2008:

Die Getrag KG könnte zum ersten prominenten Opfer der Finanzkrise in der Automobilindustrie werden. Bis Ende Februar wollen die Banken von Unternehmensberater Roland Berger einen Bericht über den Zustand des Getriebeherstellers haben und dann entscheiden, ob das hochverschuldete Unternehmen weiteren Kredit erhält oder möglicherweise in die Insolvenz geht.

Ludwigsburg. Der Getriebebauer Getrag droht über seine hochfliegenden Wachstumspläne zu stolpern und könnte nach Darstellung der IG Metall in wenigen Monaten sogar zahlungsunfähig werden. „Weil Getrag hochgradig verschuldet ist, kann man eine Insolvenz nicht ausschließen“, befürchtet Konrad Ott, erster Bevollmächtigter der IG Metall Ludwigsburg. Bis spätestens Ende Februar wollen die Banken entscheiden, ob das mittelständische Unternehmen mit 3050 Beschäftigen weiter Kredit erhält. Basis dafür ist ein so genanntes Fortführungsgutachten, das die Unternehmensberatung Roland Berger bis Anfang Januar im Auftrag der Kreditinstitute erstellen soll. Nach Darstellung der Gewerkschaft und der Getrag-Betriebsräte könnte die Getrag KG mit der Zentrale in Untergruppenbach bei Heilbronn und vier deutschen Produktionswerken in diesem Jahr einen Verlust im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich anhäufen. „Nur mit Zugeständnissen der Beschäftigten wird Getrag nicht zu retten sein“, so Ott mit Blick auf den vom Management geforderten Stellen- und Kapazitätsabbau.

Der Absturz des Getriebeherstellers, der vollständig der Familie Hagenmeyer gehört, kommt ebenso abrupt wie überraschend: Noch Mitte Oktober sah sich Firmenchef Tobias Hagenmeyer weltweit auf Erfolgkurs, obwohl bereits damals die Finanzkrise für einen Einbruch in der Automobilnachfrage gesorgt und viele Hersteller bereits Produktionsdrosselungen angekündigt hatten. Klar war damals auch, dass sich der Großauftrag von Chrysler über jährlich 700.000 Doppelkupplungsgetriebe faktisch zerschlagen hatte. Eine Insolvenz hätte weitreichende Folgen vor allem für den Münchner Premiumhersteller BMW, der vor allem das Getriebe für den Mini und weitere Baureihen bezieht. Auch Audi, Mercedes, Smart und Porsche stehen auf der Kundenliste von Getrag.

Umsatzrückgang 2009 von 20 bis 25 Prozent
Zum ersten Mal wurden die Probleme am vergangenen Freitag auf einer Betriebsversammlung im Werk Ludwigsburg offengelegt. Dort stellte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dieter Schlenkermann, nach Darstellung von Anwesenden einen Restrukturierungsplan vor, der den Abbau von rund 13 Prozent aller Stellen und die Schließung des Werks Ludwigsburg beinhaltete.Die Verluste seien so groß, dass man zum Handel gezwungen sei, soll Schlenkermann gesagt haben. Für das kommende Jahr rechnet Schlenkermann mit einem Umsatzrückgang zwischen 20 bis 25 Prozent. Im Jahr 2007 hatte die deutsche Getrag KG rund 700 Millionen Euro an Erlösen verzeichnet und dabei laut Gewerkschaftsangaben ein Gewinn von 40 Millionen Euro erzielt. In der Getrag Corporate Group, zu der die gemeinsamen Getriebeaktivitäten mit Ford und die Standorte in Asien und Amerika kommen, belief sich der Umsatz auf 2,6 Milliarden Euro.

Neben dem geplatzten Chrysler-Projekt machte Schlenkermann am Montag vor Journalisten auch den überraschenden Verlust eines großvolumigen Auftrags eines deutschen Herstellers für die Probleme verantwortlich. Der IG Metall zufolge handelt es sich dabei um BMW. Anstatt 200.000 bis 250.000 Doppelkupplungsgetriebe künftig zu beziehen, sei der Auftrag kurzfristig auf gerade einmal 20.000 Einheiten jährlich beschränkt worden. „Wir verstehen die Entscheidung von BMW nicht“, zeigte sich Ott enttäuscht.

Insgesamt hat Getrag in das völlig neue Getriebe 170 Millionen Euro investiert und verfügt derzeit über eine Kapazität von 60.000 Einheiten im Jahr. BMW will die Getriebe in die high-performance Sportwagen der M-GmbH einbauen. Strittig ist, ob jemals ein konkreter Auftrag von BMW vorlag. „Es gab niemals eine schriftliche Zusage über ein auch nur annäherndes Volumen von 200.000 Doppelkupplungsgetrieben, erfuhr die Automobilwoche aus Branchenkreisen. Dagegen spielte dieser Auftrag Ott zufolge schon im Jahr 2005 eine wesentliche Rolle bei den Planungen von Getrag: „Dieses Volumen war Bestandteil des Ergänzungstarifvertrags, den wir damals mit der Geschäftsleitung geschlossen haben.“ Dieser Vertrag sichert bis Ende 2011 den Bestand der Standorte und der Beschäftigung in den vier deutschen Werken und der Zentrale in Untergruppenbach, wo auch die Forschung- und Entwicklung angesiedelt ist. Dem ursprünglichen Plan zufolge sollte mit dem BMW-Volumen der Standort Neuenstein ausgelastet und bisher dort produzierte Produkte auf die Werke Rosenberg, Ludwigsburg und Bad Windsheim verlagert werden.

Riskante Auslandsexpansion
Dass nun ausgerechnet der Standort Ludwigsburg zur Disposition gestellt wurde, ist für den Betriebsratsvorsitzenden Joachim Plucis vollkommen unverständlich: „Das Werk ist bis Januar voll ausgelastet, was sonst bei keinem anderen Standort der Fall ist.“ In Ludwigsburg fertigt Getrag unter anderem 800 Getriebe täglich für den Mini von BMW sowie Motorsteuerscheiben für Mercedes. Diese befinden sich derzeit im Anlauf und sollen im kommenden Jahr auf 300.000 Einheiten pro Jahr kommen. Plucis ist überzeugt, dass Getrag mit Maßnahmen wie dem Abbau von Zeitkonten bzw der Arbeitszeitverkürzung eine Nachfrageschwäche kurz –und mittelfristig überwinden kann.

Nach Ansicht der Arbeitnehmervertreter und Gewerkschafter ist vielmehr die riskante Auslandsexpansion verantwortlich für die Schieflage. „Getrag wollte Wachstum um jeden Preis und hat das fast ausschließlich fremdfinanziert“, so Ott. Eine wichtige Säule in der Wachstumsstrategie war das Werk für Chrysler. Getrag sollte in den USA jährlich 700.000 Doppelkupplungsgetriebe produzieren und auch für die Finanzierung des über 500 Millionen Dollar umfassenden Projekts sorgen. Vor kurzem hat der selbst schwer angeschlagene US-Hersteller alle Verträge gekündigt und Getrag verklagt. Der Getriebehersteller hat nun seinerseits Klage eingereicht und muss die praktisch fertige Fabrik rückabwickeln. „Uns ist ein Riesenschaden entstanden, der den Bestand von Getrag aber nicht gefährdet“, so Schlenkermann.

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GETRAG USA hat am 17.11.2008 die Eröffnung eines Gläubigerschutzverfahrens nach Chapter 11 des US Bankruptcy Code beantragt.

Das ist so eine Art „Insolvenz light“. Ursächlich vermutlich v. a. das o. g. Chrysler-Projekt in den USA.
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